Willkür

Willkür
1. Durch fremde Willkür sterben ist zwiefacher Tod.
Lat.: Bis emori est alterius arbitrio emori. (Philippi, I, 60.)
2. Willkür bricht alle Rechte.Graf, 24, 262.
Mhd.: Willekor bricht alle recht. (Magdeb. Weisthümer v.d. Jahr 1453, S. 38; Göschen, 94; Ortloff, IV, 46, 14.)
3. Willkür bricht Landrecht.Lehmann, 857, 3; Hasler, 3; Graf, 24, 257; Latendorf II, 31; Körte, 6851; Eisenhart, I, 1; Pistor., VIII, 15.
Unter Willkür werden diejenigen Verordnungen und Rechte verstanden, welche die Städte nach ihrem eigenen Belieben errichteten oder mit Bewilligung ihrer Landesobrigkeit einführten. Nach dem Sprichwort soll der Richter, wenn kein besonderer Vertrag vorhanden, nach dem Willkür, d.i. nach dem Stadtrecht urtheilen, dem, wo mehrere Gesetze zusammenkommen, stets der Vorzug gebührt. Das Sprichwort wurde später in folgender Weise erweitert: Willekore brichet lantrecht. (Michelsen, 196, 42.)
4. Willkür bricht Recht.Graf, 24, 255.
Mhd.: Willekore brickt recht. (Haltaus, 2117.)
5. Willkür bricht Stadtrecht.Graf, 24, 256.
Die verschiedenen Rechte legen die Frage nahe, welches derselben der Beurtheilung irgendeines Rechtsgeschäftes zu Grunde zu legen sei. Mit Bezug hierauf spricht das obige mit verwandten Sprichwörtern den Rechtssatz aus, dass zunächst das besondere Uebereinkommen, Gedinge, Gelübde und Willkür mit Ausschluss aller andern Rechte, und wenn der Gegenstand nicht öffentliche, sondern nur die Rechte der Vertragenden betrifft, selbst gegen jedes andere Gesetz, es sei Stadt-, Land- oder gemeines Recht, massgebend sei.
6. Willkür bringt Stadtrecht, Stadtrecht bringt Landrecht, Landrecht bringt gemein Recht.Eisenhart, 3; Simrock, 11641; Graf, 25, 271; Sailer, 251; Bluntschli, I, 27, 2.
7. Willkür geht über alle Landrechte.Graf, 24, 259.
Mnd.: Wilkor geit baven alle Landtrechte. (Dittmer, 91.)
8. Willkür wird ein Recht.Graf, 21, 236.
Rechte und Rechtsformen bildeten sich a)
durch Gesetze, b) aus Gewohnheit und c) durch Uebereinkunft zweier oder mehrerer Theile in Bezug auf irgendein Rechtsgeschäft. Diese Uebereinkunft, welche unter den Betheiligten wie ein geschriebenes Gesetz wirkt und oft die beliebte Ordnung eines ganzen Gemeindewesens über seine Rechtsverhältnisse in sich begreift, wird in den Rechtsbüchern durch Willkür bezeichnet. Man hat dabei nicht an das »subjective Belieben«, das wir jetzt mit dem Wort zu verbinden pflegen, zu denken, sondern an eine getroffene Wahl, weil das Gute und Rechte erkoren wird.
Mnd.: Wilkor wirt eyn recht. (Daniels, 356, 51.)

Deutsches Sprichwörter-Lexikon . 2015.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Willkür — steht für: bis in das 18. Jahrhundert, noch ohne abwertenden Sinn, sogar teils lobend, für Handlungen und Entscheidungen nach freier Wahl und Gutdünken bzw. den selbstverantworteten Gestaltungsraum von Fürsten in Bezug auf die Selbstverwaltung… …   Deutsch Wikipedia

  • Willkür — Willkür, 1) der Wille, in so fern er wählt, od. der Act, mittelst dessen nach freiem Entschluß der Mensch zwischen entgegengesetzten Verhältnissen wählt. Die W. ist entweder eine vernünftige od. vernunftlose, je nachdem die Triebe od. die… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Willkür — Willkür, soviel wie grundloses, launenhaftes Wollen (s. Wille); im engern Sinn eine Bestimmung oder Entscheidung, die nicht durch das Gesetz oder die Vernunft an sich gegeben ist, sondern aus freier Wahl erfolgt; daher gewillkürtes Recht,… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Willkür — Willkür, im ältern deutschen Recht die vertragsmäßige Festsetzung einzelner Rechtsverhältnisse im Gegensatz zum allgemeinen Recht. Die sog. richterliche W. ist das pflichtmäßige Ermessen des Richters bei Festsetzung einer Strafe innerhalb des vom …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Willkür — Willkür, im ältern deutschen Rechte alles vertragsmäßig zwischen Privatpersonen festgesetzte Recht; in der Rechtssprache das pflichtmäßige Ermessen (arbitrium) des Richters in der Strafbestimmung innerhalb des gesetzlichen Spielraumes. – Vgl.… …   Herders Conversations-Lexikon

  • Willkür — Sf std. (13. Jh.), mhd. wil(le)kür, mndd. willekōr m. Stammwort Wie afr. wilkere m./f. als Wahl nach eigenem Willen aufzufassen (zu Wille und Kür). Adjektiv: willkürlich. deutsch s. Wille, s. Kür …   Etymologisches Wörterbuch der deutschen sprache

  • Willkür — Willkür: Das Substantiv (mhd. wil‹le›kür) ist eine Zusammensetzung aus den unter ↑ Wille und ↑ Kür behandelten Wörtern. Es bedeutet demnach eigentlich »Entschluss, Beschluss des Willens«, d. h. »freie Wahl oder Entschließung«. Die abwertende… …   Das Herkunftswörterbuch

  • Willkür — Beliebigkeit; Arbitrarität; Willkürlichkeit * * * Will|kür [ vɪlky:ɐ̯], die; : Verhaltensweise, die ohne Rücksicht auf andere nur den eigenen Wünschen und Interessen folgt: sie waren der Willkür eines launischen Vorgesetzten ausgeliefert. Zus.:… …   Universal-Lexikon

  • Willkür — die Willkür (Mittelstufe) das Handeln ohne Rücksicht auf die Gesetze Beispiele: Im Land herrscht vollkommene Willkür. Wir sind von der Willkür der Beamten abhängig …   Extremes Deutsch

  • Willkür — Belieben, Ermessen, Gutdünken, Laune, Zufall; (geh.): Befinden. * * * Willkür,die:⇨Rücksichtslosigkeit Willkür 1.Belieben,Gutdünken,Ermessen,Laune 2.Rücksichtslosigkeit,Eigenmächtigkeit,Eigenwilligkeit,Herrschsucht,Selbstherrlichkeit,Selbstsucht,B… …   Das Wörterbuch der Synonyme

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”